30. Juli 2025 Interview mit Blickfang Mode muss wieder wertvoll werden Wer Livia Naef begegnet, trifft auf eine Frau, die Mode lebt wie ein Abenteuer – mit Mut, Herz und einer großen Portion Idealismus. Ihre Kleider sind mehr als Stoff: Sie sind Geschichten, Haltung und Einladung, die Welt der Mode neu zu entdecken. Vor fünf Jahren hat sich die Schweizerin selbstständig gemacht und ihr eigenes Modelabel gegründet – ein Label, das sich radikal von klassischen Marken unterscheidet. Hier werden alte Leinen- und Seidenstoffe verarbeitet, mit natürlichen Farbstoffen aus Lebensmittelresten gefärbt und Mode als Statement gegen Wegwerfmentalität verstanden. Im Interview erzählt Livia, was ihren Ansatz so besonders macht und welche Veränderungen sie in der Modebranche anstoßen möchte. Livia, du hast eine Ausbildung zur Kauffrau und PR-Fachfrau gemacht und dann dein eigenes Label gegründet. Wie kam es dazu? Die Idee, ein eigenes Label zu gründen, war eigentlich immer da, aber ich habe mich zunächst für den sicheren Weg entschieden. Ich habe jahrelang in der Kommunikation und im Marketing gearbeitet – bis ich merkte, dass mich der Gedanke an Kleider einfach nicht mehr loslässt. Ich wollte kreativ sein, mit den Händen arbeiten, etwas Echtes schaffen. Also habe ich alles umgeworfen, eine textile Ausbildung gemacht, Fashion Design studiert und bin Mutter geworden. Im Februar 2020 – kurz vor Corona – habe ich gespürt: Jetzt ist der Moment. Und ich habe mein Label gegründet. Du hast mitten in der Pandemie gegründet. Wie war das für dich? Im Nachhinein war es das Beste, was mir passieren konnte. Ich hatte keinen Druck, musste nicht sofort auf Messen präsent sein oder große Investitionen tätigen. Ich konnte im Kleinen experimentieren, meine ersten Stücke an Freundinnen und Bekannte verkaufen und den Kreis langsam vergrössern. Nach dem Lockdown habe ich mit einem Pop-up-Store den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt – und plötzlich war das Interesse gross. Die Medien fanden es mutig, dass ich gerade in dieser Zeit gegründet habe. Sogar das Schweizer Fernsehen wollte wissen, wer hinter diesen besonderen Kleidern steckt. Gab es Ängste oder Zweifel vor dem Start? Oh, jede Menge! Ich habe von Anfang an voll auf das Label gesetzt, ohne Nebenjob, und war gleichzeitig Mutter. Die finanzielle Unsicherheit war groß, und es war eine Überwindung, meine eigenen Designs zu zeigen – das ist ja immer auch sehr persönlich. Aber der Wunsch, etwas zu bewegen, war einfach größer. Nachhaltigkeit ist ja das Herzstück deines Labels…. Die Modebranche produziert unfassbare Mengen Kleidung, vieles davon landet ungetragen im Müll. Ich habe lange gezögert, überhaupt noch Mode herzustellen. Aber ich wusste: Wenn ich es mache, dann nur nachhaltig und mit Respekt vor Ressourcen. Für mich ist jedes Kleidungsstück ein Statement für Wertschätzung und gegen Verschwendung. Du arbeitest mit alten Schweizer Leinen- und Seidenstoffen und färbst mit Food Waste. Wie kam es zu dieser Idee? Das war eine Mischung aus Zufall und Abenteuerlust. Ich bekam alte Leinenstoffe geschenkt und habe von einer Bekannten aus Spanien gelernt, wie man mit Avocadokernen- und Schalen, Spinat , Zwiebelschalen oder Kurkuma Stoffe färbt. Wir haben viel experimentiert, um herauszufinden, wie das im großen Stil funktioniert. Es ist jedes Mal ein Erlebnis – und jedes Stück bekommt dadurch seine eigene Geschichte. Welche Materialien verwendest du sonst noch? Neben Leinen arbeite ich mit Bio-Baumwolle, Hanf, Tencel, Wolle von Schafen aus einem Biosphärengebiet an der Elbe und Seide aus alten Schweizer Beständen. Besonders schön finde ich die Geschichten hinter den Stoffen: Zum Beispiel hat mir ein ehemaliger Textildesigner seine Seidenvorräte aus den 90ern angeboten – alles in der Schweiz ausgerüstet, in bester Qualität. Was macht deinen Ansatz in der Modebranche besonders? Ich setze auf Kreislauf statt Massenproduktion. Jedes Kleidungsstück ist ein Unikat oder Teil einer winzigen Serie, gefertigt aus vorhandenen oder ökologischen und zertifizierten Materialien. Es sind alles natürliche Fasern, die biologisch abbaubar sind. Die zeitlosen Kleider in der Schweiz genäht. Mir ist wichtig, dass meine Kund:innen wissen, woher die Stoffe kommen und wie sie verarbeitet wurden. Mode soll wieder etwas Persönliches sein, kein Wegwerfprodukt. Was möchtest du in der Modebranche verändern? Ich will das Bewusstsein für den Wert von Kleidung stärken. Mode soll nicht nur schnell konsumiert und entsorgt werden, sondern als etwas Wertvolles und Persönliches wahrgenommen werden. Mein Ziel ist es, zu zeigen, dass nachhaltige, individuelle Mode möglich ist – mit Freude, Qualität und ohne Kompromisse. Ich wünsche mir, dass Menschen bewusster einkaufen und Mode als Teil ihrer eigenen Geschichte begreifen. Wir müssen mit den Ressourcen bewusst umgehen und so produziere ich nur, was ich effektiv verkaufe und möglichst lokal. Woher nimmst du deine Inspiration für die Designs? Aus dem Leben! Ich liebe minimalistisches Design, Kunst und Architektur. Beobachte gerne Menschen und ihre Kleider. Auch die Stoffe erzählen eine Geschichte. Sie zeigen, welche Schnitte möglich sind und zum Stoff passen. Ich laufe gerne in der Natur und meditiere. So entstehen meine Entwürfe langsam im Kopf und setzen sich zu einer Gesamtheit zusammen. Die Kleidungsstücke können untereinander kombiniert werden und harmonieren miteinander. Mich interessiert das Reduzierte. Das Unnötige wegzulassen. Die Essenz zu finden. Weniger ist mehr, das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Was brauchte ich zum Leben? Ich habe lieber weniger dafür das für mich Richtige. Das gibt mir viel Freiheit, Dankbarkeit und Fülle. Meine Entwürfe sind klar, reduziert und zeitlos. Ich arbeite eher intuitiv und strukturiert, ohne klassische Moodboards. Das Ergebnis: Mode, die Schlichtheit und Charakter vereint. Die Kundin soll sich in den Kleidern selbstbewusst, schön und als das Besondere wahrnehmen, das sie ist. Was sind deine nächsten Schritte und Visionen? Ich möchte weiterhin experimentieren, neue Materialien und Färbetechniken ausprobieren und mein Angebot erweitern – Unisex Kleider interessieren mich sehr. Außerdem freue ich mich über Kooperationen mit Firmen, die meine Werte teilen. Wichtig ist für mich, flexibel zu bleiben und Mode als lebendigen Prozess zu verstehen. Livia kannst du übrigens persönlich in ihrem Ladengeschäft in Luzern oder an der BLICKFANG Zürich kennenlernen, noch mehr über ihre Geschichte und ihre Produkte erfahren und diese natürlich direkt kaufen. Lust noch mehr Labels besser kennenzulernen? Dann schau jetzt in unserem Journal vorbei und lass dich inspirieren! © 2025 BLICKFANG Messe GmbH